Ran an die Pedale!

Dutzende ehrenamtlich Aktive der Students for Future organisieren seit Wochen und Monaten einen bundesweiten Fahrradprotest zur Bundestagswahl – teilweise wenden sie für dafür 40-50 Stunden die Woche an Arbeit auf. „Angesichts der dramatischen Entwicklung der Klimakrise wäre es unverantwortlich, jetzt nichts zu tun.“ Ein Einblick in das Engagement von Menschen, die um unsere Zukunft bangen und alles daran setzen, diese zu retten.

Protest entland der Zerstörung

Ab dem 20. August setzen sich in ganz Deutschland hunderte, wenn nicht tausende klimabewegte Menschen aufs Fahrrad. Unter dem Motto „Ohne Kerosin Nach Berlin“ protestieren sie auf zwei Rädern zur Bundestagswahl für mehr Klimaschutz. Gestartet wird bei der inklusiven Sternfahrt von Köln, Karlsruhe, Nürnberg, Leipzig, Flensburg und Oldenburg aus, geradelt wird möglichst barrierefrei bis zu 20 Tage und 900 Kilometer pro Strecke auf insgesamt sechs Routen. Das Besondere: Entlang der Routen besuchen die RadlerInnen klimapolitisch relevante Orte – wie den Braunkohletagebau Garzweiler oder der Dannenröder Forst – und veranstalten Aktionen zu lokalen Themen, wie zum Bau der A21 oder der Nordstream 2 Pipeline. Ziel dabei ist, mit möglichst vielen und unterschiedlichen Menschen vor Ort über die Folgen der Klimakrise zu sprechen und auf die Bedeutung der Bundestagwahl hinzuweisen angesichts der bislang ausbleibenden, überfälligen klimapolitischen Weichenstellungen. Am 10. September treffen sich dann alle Radler:innen in der Hauptstadt und legen dort tausende von Klima-Forderungen auf bunten Klimabändern auf die Stufen des Bundestages, die sie zuvor aus der ganzen Republik eingesammelt haben. Ein großes Projekt? In der Tat.

Aktive von „Students for Future“ stehen bei einer vorherigen Aktion neben der A115 bei Berlin bereit. Die Gruppe ist eine der Initiatoren von „Ohne Kerosin nach Berlin“. / Foto: Moritz Böll

Ohne Kerosin nach Berlin

Die Idee zum bundesweiten Fahrradprotest Ohne Kerosin Nach Berlin – kurz OKNB – stammt von den Students for Future in Köln. Sie hatten bereits 2020 eine erste OKNB-Protesttour in die Hauptstadt gemacht und überzeugten die Jury beim Campact-Hackathon mit ihrer Idee einer bundesweiten Sternfahrt sofort. Zwei der mehr als 50 ehrenamtlichen „Macher:innen“ des Protests sind Moritz Böll, 25 Jahre, VWL- und Politikstudent sowie Kurt Weidt, 57, Wissenschaftler und „Vollzeitaktivist“, wie er selber sagt. Beide sind seit der Gründung im Jahr 2019 bei den Students for Future aktiv, Moritz in Köln, Kurt in Hildesheim. Beide waren auch an der „Public Climate School“ beteiligt, bei der Students-for-Future-Gruppen Klimabildung in Schulen, Unis und andere gesellschaftliche Gruppen bringen.

Kurt Weidt befasst sich seit über 30 Jahren intensiv mit der Zerstörung von Naturräumen durch die Menschheit, begonnen hat er mit Baumschutz und Bürgerschaftsarbeit. „Ich habe mich in all den Jahren meines Engagements für Natur, Klima und Eine Welt immer nur als Teil einer Randgruppe empfunden, die in ihrer Sorge um die Lebensgrundlagen nicht ernst genommen wurde. Das änderte sich aber schlagartig durch Fridays for Future. Mit dieser Bewegung war der richtige Zeitpunkt gekommen, endlich mit dem Thema Nachhaltigkeit in die ganze Gesellschaft zu gehen“, erzählt Kurt.

Fridays for Future als Weckruf

Fridays for Future und die Public Climate School waren für Kurt und auch für Moritz eine Art Erweckungserlebnis: „Ich merkte auf einmal, dass man die Klimafrage selbstbewusst in die Gesellschaft kommunizieren kann, auch als Studierender. Und vor allem, dass man durch politischen Aktivismus andere Menschen zur Aktivität motivieren kann. Durch den großen Erfolg der Public Climate School sind wir dann auf die Idee der Fahrradsternfahrt nach Berlin gekommen – wir wollten etwas Verrücktes machen, bei dem wir gleichzeitig mit so vielen Menschen wie möglich über den Klimawandel ins Gespräch kommen und bei dem wir sie im besten Fall zu eigenem Engagement anregen können“, sagt Moritz.

Moritz ist inzwischen Pressesprecher der Students for Future Deutschland. Rund 40-50 Wochenstunden investiert er seit Monaten für die Organisation von OKNB – sein Studium ist erst einmal zwischengeparkt. Kurt arbeitet seit Jahren ausschließlich für die Klimagerechtigkeitsarbeit. Geldverdienen hat bei ihm gerade keine Priorität: „Angesichts der dramatischen Entwicklung der Klimakrise wäre es unverantwortlich, jetzt primär an den eigenen Vorteil zu denken. Die Prognosen der Erderwärmung und ihrer Folgen sind katastrophal. Es sind nur noch wenige Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Die nächste Bundesregierung ist die letzte, die noch Schritte einleiten kann, um das Schlimmste zu verhindern. Dieses Momentum muss genutzt werden! Ich will dazu beitragen, dass wir das noch irgendwie schaffen.“

Moritz ist überzeugt, dass diese Mammutaufgabe nur gemeinsam geschafft werden kann:

Ob linke Städter:innen oder konservative Landwirt:innen – wir sitzen alle im selben Boot, das im Moment auf völlig falschem Kurs ist. Wir werden alle enorm von der Klimakrise betroffen sein. Und natürlich wollen wir alle die Erderhitzung nicht! Mir ist es wichtig, dass wir weg kommen vom „wir gegen die“ hin zu einem Miteinander aus der Klimakrise. Deswegen wollen wir auch an so vielen Stationen wie möglich Halt machen und mit unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch gehen.

Täglich werden die Protestierenden 50-100 Kilometer radeln, übernachtet wird in Zelten und für die Lebensmittelversorgung werden größtenteils gerettete Lebensmittel verwendet. Dadurch wird die Tour für alle Teilnehmenden kostenlos ermöglicht. Wem die Strecken zu lang sind, kann auch eigene, kleinere „Tiny-Touren“ organisieren.

Jeder und jede ist eingeladen, mitzumachen! Anmelden zur OKNB-Protest-Sternfahrt könnt ihr euch unter https://ohnekerosinnachberlin.com/. Und um schon mal in Stimmung zu kommen, könnt ihr euch den Protest-Song und das Musikvideo zu OKNB unter https://www.youtube.com/watch?v=l4rIEKJZztg anhören- bzw. -sehen. Ab Mitte August wird außerdem ein Dokumentarfilm zur Protesttour 2020 unter www.oknb-film.de zu sehen sein. Wir sagen: Ran an die Pedale!

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