„Für einen erfolgreichen Klimaschutz müssen wir aus unserer eigenen Klimabubble raus“, davon ist Linda Rülicke überzeugt. Die 31-Jährige aus Frankfurt am Main war schon bei Parents for Future aktiv und ist nun eine von 20 Engagierten aus ganz Deutschland im Projekt #WirStimmenZusammen. Um aus der eigenen Bubble herauszukommen, setzen Linda und das Team des vierten Gewinnerprojekts des Neustart:Klima-Hackathons von Campact auf: die eigene Familie.
#WirStimmenZusammen
#WirStimmenZusammen hat zum Ziel, die Generation der über 60-Jährigen dazu zu bewegen, ihre Wahlentscheidung bewusst im Sinne der Zukunft ihrer Enkelkinder zu treffen – und somit der jungen Generation ihre Stimme für mehr Klimaschutz zu geben. Möglich werden soll das über echte Gespräche und gemeinsame Aktivitäten zwischen den Jugendlichen und ihren Großeltern:
„Uns geht es darum, möglichst über ein aktives Miteinander und damit über die Beziehungsebene Verständnis bei der Generation der über 60-Jährigen dafür zu wecken, welche Brisanz der Klimawandel im Leben ihrer Enkel schon spielt und noch spielen wird. Gleichzeitig wollen wir den Jugendlichen zeigen, dass sie dem Wahlausgang im September nicht hilflos ausgeliefert sind“ (Linda Rülicke)
Denn: Alle Jugendlichen im Alter von unter 18 Jahren haben bei der Bundestagswahl keine Stimme, obwohl es ihre Zukunft ist, die von den Entscheidungen der neuen Bundesregierung in Sachen Klimaschutz am stärksten betroffen sein wird. Die über 60-Jährigen hingegen dürfen wählen und machen mehr als 38 Prozent aller Wahlberechtigten aus. Damit haben sie einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Wahl und auf die Zukunft ihrer Enkel. Genau hier setzt das Projektteam von #WirStimmenZusammen an: Es will zum einen das große Klimaschutzpotential in der Wählergruppe der über 60-Jährigen heben und zum anderen das Ungleichgewicht zwischen politischer Einflussnahme und persönlicher Betroffenheit ausgleichen. Und das über eine generationenübergreifende Kampagne. Das klingt nicht nur genial, das IST genial!
Inspiration aus Bremen
Die konkrete Idee dazu hatte der Bremer Schauspieler und Buchautor Jörg Isermeyer (53). Auch er beschäftigt sich – privat und beruflich – viel mit der Frage, wie man mit links-ökologisch-alternativen Ansätzen „raus aus der eigenen Blase“ kommt. Besonders aufgerüttelt hatten ihn dabei die Ergebnisse der Europawahl im Jahr 2019: Bestimmendes Thema der Wahl war Dank Fridays for Future und dem Rezo-Video zur Zerstörung der CDU die Klimakrise. Doch gerade die ältere Generation und speziell die über 70-Jährigen wählten trotz der Dringlichkeit für mehr Klimaschutz überdurchschnittlich oft CDU und unterdurchschnittlich oft die Grünen. Genau anders herum war es bei der Juniorwahl – einer Testwahl zur Europawahl bei nicht wahlberechtigten Siebt- bis Zwölftklässler:innen aus ganz Deutschland: Sie wählten die Grünen ganz nach vorne. Gleichzeitig war Isermeyer auch in der eigenen Familie, bei seiner Mutter, die schon immer CDU-Wählerin war, in Diskussionen um den dringend notwendigen politischen Wandel hin zu mehr Klimagerechtigkeit immer wieder auf Granit gestoßen. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht mehr“, so Großmutter Isermeyer. Auch aus Loyalität mit ihrem Mann ließ sie an „ihrer“ CDU nicht rütteln.
„Da kam bei mir das Gefühl auf, dass mein Sohn mit seiner konfliktfreieren Beziehung zu seiner Großmutter wohl bessere Überzeugungschancen haben würde, als ich selbst. Auch in meinem Freundeskreis wurde diese Erfahrung gemacht. Also habe ich die Idee von der Ansprache der Großeltern durch die Enkelgeneration in den Hackathon eingebracht – wo viele andere lustigerweise ganz ähnliche Ideen hatten. Das lag wohl in der Luft.“
Jetzt mit Oma reden!
Jetzt müssen in den nächsten Wochen und Monaten so viele Jugendliche wie möglich dazu bewegt werden, sich mit ihren Großeltern über die Klimakrise und den Auswirkungen auf ihr eigenes Leben zu unterhalten. Und das am besten so, dass Oma und Opa nicht direkt abwinken, sondern empathisch zuhören. Dazu stellt das #WirStimmenZusammen-Team über Social Media und über eine Kampagnenwebsite Jugendlichen leicht verständliche und berührende Fakten zu Klima und Politik zusammen, ebenso wie Gesprächshilfen und Ideen für gemeinsame Aktionen mit den Großeltern. Zu Aktivitäten können zum Beispiel zusammen kochen, gemeinsam den Wahl-O-Mat ausfüllen oder auch einfach nur in Ruhe spazieren gehen gehören. Um es den Jugendlichen möglichst leicht zu machen, wird es einen digitalen Werkzeugkasten zur Ansprache ihrer Großeltern geben.
„Das Problem ist, dass politische Diskussionen im Privaten oft vermieden werden, da die Angst da ist, dass eventuell gegenteilige Meinungen die Beziehungen zu sehr belasten. Dabei sind Einstellungsänderungen vor allem in der Familie möglich, da die Diskussion auf einer positiven Beziehungsebene aufbauen kann. Wir wollen den Jugendlichen Mut zusprechen, diese Beziehungsebene bewusst zu nutzen – für ihre eigene Zukunft und für die Zukunft aller anderen Menschen“, so Linda Rülicke.
„Wichtig ist dabei, sich auf das Gegenüber einzustellen, auf das Weltbild der Großeltern einzugehen und zu schauen, ob Opa für Fakten zugänglich oder eher auf der emotionalen Ebene zu erreichen ist. Manchmal ist es am hilfreichsten, einfach über die eigenen Ängste in Bezug auf den Klimawandel zu sprechen“, ergänzt Isermeyer.
10.000 Gespräche mit Opa
Das Projektteam hat sich zum Ziel gesetzt, zehntausende Gespräche in den Familien anzuregen. Diese können – wenn gewollt – dann auch über die Sozialen Medien unter dem Hashtag #WirStimmenZusammen sichtbar gemacht werden. Um der Kampagne zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, vernetzt sich das Team zudem mit Umweltorganisationen, nimmt Kontakt zu Jugendorganisationen auf, kontaktiert Influencer:Innen, macht aktiv Pressearbeit und wirbt um Kooperationspartner, die das Projekt über ihre Kanäle bewerben.